08/06/2021 | Event

Workshop: Mapping des Anwendungskontexts

In Technikentwicklungsprojekten müssen laufend Richtungsentscheidungen getroffen werden, die eine Antizipation des späteren Anwendungskontexts erfordern. In diesem Workshop setzen sich interdisziplinäre Teams gemeinsam mit unserer Techniksoziologin, Céline Gressel intensiv mit der Frage nach der möglichen späteren Anwendung ihrer Technologie auseinander und arbeiten heraus, welche menschlichen Akteur*innen und nichtmenschlichen Aktanten in diesem Kontext betrachtet werden müssen.

Dieser Workshop unterstützt Projekte dabei, die Komplexität des Anwendungskontexts der zu entwickelnden Technologie darzustellen. In diesem halb-tägigen Workshop lernen die Teilnehmenden die Grundlagen der Methode des Mappings kennen, bekommen eine Einführung in das Vorgehen und erstellen selbst eine Map für ihr Projekt. Diese Map kann in einem nächsten Schritt verwendet werden, um konkrete Fragen daran zu bearbeiten – wie mit dem Projekt ExoHaptik durchgeführt (Workshop mit Exohaptik zum Thema Sicherheit). Gleichermaßen kann sie aber auch für sich zur Weiterarbeit im Projekt verwendet werden.

Die Methode des Mappings des Anwendungskontexts orientiert sich an den Prinzipien der Situationsanalyse, die von Adele Clarke entwickelt wurde.

Um das Vorgehen verstehen zu können, muss einem bewusst sein, dass Adele Clarke eine Schülerin Anselm Strauss – einem der Entwickler der Grounded Theory – war.

Adele Clarke entwickelte die Grounded Theory weiter zur Situationsanalyse. Ein Hauptbestandteil der Situationsanalyse ist das Erstellen von Situations-Maps. Das Anordnen des Kontextes einer Situation in einer Map, dient als Strategie für die Verdeutlichung der Elemente in der Situation und zur Erforschung der Beziehungen zwischen ihnen. Die Maps sollen helfen die Fragen zu beantworten, wo das Projekt in der Welt angesiedelt ist, warum es wichtig ist und was genau in der eigentlichen Situation vorgeht. Damit verfolgt die Situationsanalyse im Grunde die gleichen Ziele wie die Grounded Theory, deren wohl wichtigste Frage lautet: „What is going on here?“. Wobei einer der wichtigsten Unterschiede ist, dass die Grounded Theory grundlegende soziale Prozesse fokussiert, die Situationsanalyse dagegen soziale Welten und Aushandlungen.

Die Grounded Theory ist ein sozialwissenschaftlicher pragmatistischer Forschungsstil zur systematischen Sammlung und Auswertung vor allem qualitativer Daten (z.B. Transkripte von Interviews, Beobachtungsprotokolle aber auch vieles mehr) mit dem Ziel der Theoriegenerierung. Sie stellt dabei keine einzelne Methode dar, sondern eine Reihe ineinandergreifender Verfahren (wie das Kodieren).

Wie die Grounded Theory ist auch die Situationsanalyse eine Methode zum Umgang mit empirischen Daten. Eine zweite Implikation, die sich daraus ergibt, dass die Methode auf den Ideen der Grounded Theory beruht ist, dass sie im Bereich der qualitativen Sozialforschung anzusiedeln ist. Das Vorgehen ist explorativ und will eine ganz konkrete Situation in möglichst vielen Aspekten widerspiegeln. Dabei geht es nicht um Übertragbarkeit oder Verallgemeinerbarkeit.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Grounded Theory ist, dass die Datenerzeugung, -analyse und Theoriebildung nicht linear in einer vorgegebenen zeitlichen Abfolge stattfinden, sondern aufeinander basierend in zeitlicher Parallelität und wechselseitig funktionaler Abhängigkeit erfolgen. Nachdem erste Daten erzeugt wurden, werden diese unmittelbar analysiert. Durch die ersten Ergebnisse der Analyse wird die Erzeugung neuer Daten bestimmt und die Wissenschaftler*innen gehen mit ihren neuen Erkenntnissen zurück ins Feld. Dieser ständige Wechsel zwischen Datenerzeugung, Analyse und Theoriebildung ist eines, der wichtigsten Prinzipen der Grounded Theory und auch der Situationsanalyse. Genauso relevant ist dieser Punkt bei der Arbeit mit Maps. Jede Version einer Map ist immer als prozesshafter Zwischenschritt anzusehen, der neue Forschungsfragen hervorbringen soll, die Datenerzeugung aktiv beeinflussen wird und sich dynamisch mit dem Gewinn neuer Erkenntnisse verändert.

So kann eine erstellte Map im weiteren Projektverlauf angepasst, erweitert und für immer neue Fragestellungen angewendet werden.

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